Kurz und knapp
Mr. West, ein netter und harmloser Yankee, reist in das junge Russland: ein unbekanntes Territorium voll böser Überraschungen und wilder Kerle, die sich als Bolschewiken ausgeben. Der amerikanische Geschäftsmann West ist entsetzt: Er wird in Moskau beraubt. Da bietet ihm ein geheimnisvoller Herr Schban seine Hilfe an…
Im realen, verschneiten Moskau sieht man die Akteure einander auf Motorrädern, in Autos und Pferdeschlitten verfolgen, Straßen auf Telefonleitungen überqueren und Gliedmaßen wie Rufzeichen in die Höhe werfen. Ein ungewöhnlicher Kinospaß: junge russische Filmemacher persiflieren schon um 1924 die Hollywood- Westernfilmklischees !
DIE SELTSAMEN ABENTEUER DES MR. WEST ist nämlich ganz im Stil eines amerikanischen Detektivfilms gehalten, ironisiert aber gleichzeitig westliche Vorurteile über die Zustände in der Sowjetunion. Die Fabel des Films ist entsprechend grotesk: Der amerikanische Senator West begibt sich in die Sowjetunion, in der Erwartung, dort – wie es illustrierte Lehrbücher verheißen – fellgekleidete Wilde vorzufinden; zu seinem Schutz hat er einen Cowboy mit Lasso mitgenommen. In Moskau fällt Senator West einer Bande von Gangstern in die Hände, die dem naiven Amerikaner weismachen, sie würden ihn beschützen, um ihm so Geld aus der Tasche zu ziehen, doch rechtzeitig erscheinen die wirklichen Bolschewisten und entlarven die Gangster.
Die Darsteller des Film, unter ihnen Pudowkin, befleißigten sich einer ekstatischen Mimik und Gestik, die ausgezeichnet zu dem parodistischen Stil des Films paßte. Kuleschow ging es um den Beweis, dass spezifisch trainierte Filmdarsteller besser seien als „psychologisch- theatralische Filmstars“. Tatsächlich begründete dieser Film einen neuen, dem Expressionismus verwandten Darstellerstil, der im Sinne Meyerholds die zeichenhafte Veräußerlichung innerer Zustände anstrebte.
Musik
Neue Musik für Klavier und Kinoorgel von Wilfried Kaets. Alternative Musik für Klavier solo.
Die Musik ist neu komponiert und orientiert sich strukturell an den filmmusikdramaturgischen Zugängen der Stummfilmzeit; sie verwendet auch zum Teil Themen aus Kinotheken der zwanziger Jahre, z.B. die „Motion Picture Moods for Pianists and Organists“, die Ernö Rappé 1924 herausgegeben hat.
Russische und amerikanische Kompositionen, Melodien, Hymnen und Volkslieder nehmen aufgrund des besonderen Sujets breiten Raum ein. Die oft überdrehte Montage und das aberwitzige Actiontempo des Films finden ihre musikalische Entsprechung, wie bei der zeithistorischen Begleitung von Actionkomödien üblich, in enger Verknüpfung von Bildinhalt und Tonmalerei.