Der letzte Mann

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Kurz und knapp

„Der letzte Mann“ ist die Geschichte einer persönlichen Tragödie: Ein alternder Hotelportier verliert mit der Uniform seine Identität und sein Prestige und wird daraufhin von der Gesellschaft gnadenlos gedemütigt.

Murnaus Film, der fast gänzlich ohne Zwischentitel auskommt, gilt als Meilenstein der Filmgeschichte und Höhepunkt des deutschen Stummfilmkinos.

 

Inhalt

 

 

Wenn der Portier des Hotels „Atlantic“ (Emil Jannings) in seiner schmucken Uniform nach Hause geht, wird er von den Nachbarn im Hinterhof respektvoll gegrüßt. Doch als der Geschäftsführer des Hotels (Hans Unterkircher) beobachtet, wie der Portier nach dem Tragen eines Koffers erschöpft ist und einige Minuten ausruht, ernennt er einen Jüngeren zum Portier und will den alten Mann in ein Versorgungsheim abschieben. Der versucht verzweifelt, seine Kraft zu beweisen, indem er im Büro des Hotelsmanagers einen schweren Koffer hochhebt. Dabei bricht er zusammen. Ein Hotelboy zerrt dem Benommenen die Uniform herunter, und eine Mitarbeiterin zeigt ihm seinen neuen Arbeitsplatz im Waschraum der Toilette.
Ausgerechnet an diesem Tag heiratet seine Nichte (Maly Delschaft). Da kann er nicht ohne Uniform nach Hause kommen ! Spätabends schleicht er sich in das Büro des Hotelmanagers und stiehlt die Uniform, die ihm bei der Hochzeitsfeier Anerkennung und Selbstwertgefühl verschafft. Noch einmal symbolisiert er Luxus und weite Welt. Nachts quälen ihn Albträume. Am anderen Morgen hat er beinahe vergessen, was geschehen ist. Dass er die devote Miene einer Nachbarin als Fratze wahrnimmt, führt er darauf zurück, dass er zu viel trank. Erst als er vor dem „Atlantic“ den neuen Portier stehen sieht, fällt ihm wieder alles ein. Bevor er das Hotel betritt, zieht er seine Uniform aus und gibt sie in einer Gepäckaufbewahrung ab.

An diesem Tag will ihn eine Verwandte (Emilie Kurz) mit einem frisch gekochten Mittagessen überraschen, das sie im Essgeschirr zum Hotel bringt. Aber da steht ein fremder Portier vor dem Hotel! Der Gesuchte sei jetzt Toilettenwärter, sagt man ihr. Sie kann es nicht glauben. Ein Hotelboy holt den ehemaligen Portier aus dem Waschraum. Als die Frau sieht, dass es stimmt, läuft sie entsetzt nach Hause. Dort erzählt sie es aufgeregt der Jungvermählten. Eine Nachbarin, die an der Tür gelauscht hat, verbreitet die Neuigkeit. Es hilft nichts, dass der Toilettenwärter auf dem Heimweg wieder die Uniform anzieht: Die Nachbarn verspotten ihn und lachen ihn aus. Er flieht zurück ins Hotel.

Mit Hilfe des Nachtwächters (Georg John) bringt er die gestohlene Uniform zurück und geht danach an seinen Platz im Waschraum.

Auf einem Zwischentitel ist zu lesen, dass die Geschichte jetzt eigentlich aus wäre. „Aber es nimmt sich des von allen Verlassenen – der Autor an, indem er ihm ein Nachspiel schenkt, worin es ungefähr so zugeht, wie es im Leben – leider – nicht zuzugehen pflegt.“

Die Zeitungen berichten, dass der mexikanische Multimillionär Money im Waschraum des Hotels „Atlantic“ verschied. Aufgrund seines Testaments beerbt ihn derjenige, in dessen Armen er starb. So verkehrt der ehemalige Portier und Toilettenmann jetzt als reicher Gast im „Atlantic“ und lädt auch den Nachtwächter zum Essen ein, der beim Anblick des Geschäftsführers noch immer aufspringt. Vor der Drehtür des Hotels wartet eine vierspännige Kutsche auf den Neureichen. Großmütig holt er einen Bettler in die Kutsche. Der setzt sich ihm gegenüber und rutscht auf den Boden, weil es da keine Sitzbank gibt.

 

Zum Film

Friedrich Wilhelm Murnau inszeniert die Geschichte so eindringlich, dass er ohne Zwischentitel auskommt. Einzige Ausnahme ist die Ankündigung des Nachspiels. Erzählt wird fast ausschließlich aus der Sicht des Protagonisten. Extreme Perspektiven, Schatten-Effekte und theatralische Bewegungen gelten als Merkmale des Expressionismus. Völlig neu sind Mehrfachbelichtungen und vor allem die „entfesselte Kamera“, die zoomt und fährt, schwenkt und kreist. Die Experimentierfreude ist aber kein Selbstzweck, sondern sie wird eingesetzt, um die psychologische Entwicklung herauszuarbeiten und zu dramatisieren. „Ein wirkliches Lichtspiel, ein wirkliches Bewegungsspiel“, hieß es am 24. Dezember 1924 im „Berliner Börsen-Courier“. – „Der letzte Mann“ ist ein Meilenstein in der Kinogeschichte und gilt als Höhepunkt des deutschen Stummfilms.

„Der letzte Mann“ wurde von Mai bis September 1924 im Ufa-Atelier Berlin-Tempelhof und auf dem Ufa-Gelände in Neubabelsberg gedreht. Die Bauten stammten von Robert Herlth und Walter Röhrig. Produzent war Erich Pommer. Die Uraufführung fand am 23. Dezember 1924 im Ufa-Palast am Zoo in Berlin statt.

Von dem Film wurden 1924 drei verschiedene Negative hergestellt: eines für Deutschland, eines für die USA und das dritte für den allgemeinen Export.

 

Musik

Neue Musik von Wilfried Kaets für konzertante Orgel, Midivibraphon und Schlagwerk.

Alternative Aufführung für Klavier und Schlagwerk.

Die Musik orientiert sich strukturell an den filmmusikdramaturgischen Zugängen der Stummfilmzeit, verwendet auch zum Teil Themen aus Kinotheken der zwanziger Jahre, ist aber in weiten Teilen eine Neukomposition.

Dies gilt in formaler Hinsicht durch Klangfarben etwa des Midivibraphon als auch im eigentlichen Notensatz, der den zeitgenössischen Komponisten präsentiert und nicht versucht, alte Modelle zu kopieren. Dadurch gelingt eine spannende Balance „alter Bilder“ und „neuer Töne“, die aber nicht einfach kontrapunktisch neben oder gegen den Film laufen, sondern eine dramaturgisch stimmige Verzahnung erzeugen.

Der Stummfilm wurde bislang in verschiedenen Kinos, Kirchen und Konzertsälen in Deutschland, Luxemburg und der Schweiz erfolgreich aufgeführt. Weitere Konzerte sind projektiert.

 

Regie

Friedrich Wilhelm Murnau (auch F. W. Murnau, * 28. Dezember 1888 als Friedrich Wilhelm Plumpe in Bielefeld; † 11. März 1931 in Santa Barbara, Kalifornien) gilt als einer der bedeutendsten deutschen Filmregisseure der Stummfilmära.
Sein vom Expressionismus beeinflusstes Schaffen, seine psychologische Bildführung und die damals revolutionäre Kamera- und Montagearbeit Murnaus eröffneten dem jungen Medium Film völlig neue Möglichkeiten.

1919 kehrte Murnau nach Berlin und begann für den Film zu arbeiten. Mit dem Film „Der Bucklige und die Tänzerin“ begann eine höchst fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Drehbuchautor Carl Mayer, der in der Folge noch für sechs weitere Filme Murnaus die Bücher schrieb.
Sein berühmtester Film aus dieser Zeit ist Nosferatu, eine Symphonie des Grauens von 1922 mit Max Schreck in der Titelrolle, eine Verfilmung von Bram Stokers Dracula, die aber aufgrund von Lizenzproblemen umbenannt werden musste.

Für die UFA inszenierte er 1924 den Film „Der letzte Mann“, in dem Emil Jannings einen Hotelportier verkörpert, der zum Toilettenmann degradiert wird und daran zerbricht. Die in diesem Film von Murnau und dem Kameramann Karl Freund verwendete „entfesselte“ oder auch „fliegende“ Kamera befreite die Kamera von ihrer Statik und ermöglichte völlig neue Perspektiven (um z.B. den Rauch einer Zigarette zu verfolgen, schnallte Freund die Kamera an eine Feuerwehrleiter und bewegte diese).

Ferner führte Murnau in diesem Film die „subjektive Kamera“ ein, die das Geschehen mit den Augen einer handelnden Person wiedergibt. Murnaus Fähigkeit, mit rein filmischen Mitteln eine Geschichte zu erzählen, zeigt sich auch darin, dass er in diesem Film fast ganz auf Zwischentitel verzichten konnte, was für die Stummfilmzeit höchst ungewöhnlich ist.

Die Reihe seiner in Deutschland geschaffenen Filme schloss Murnau 1926 mit Tartüff (nach Molière) und Faust – eine deutsche Volkssage ab.

Murnaus Erfolge in Deutschland und vor allem die amerikanische Fassung seines „Der letzte Mann“ im Jahre 1925 hatten Hollywood auf ihn aufmerksam gemacht. Murnau erhielt ein Vertragsangebot des amerikanischen Produzenten William Fox, der ihm volle künstlerische Freiheit zusicherte. Sein erster in den USA inszenierter Film „Sunrise“  gewann bei der allerersten Oscar-Verleihung 1927 drei Oscars, erfüllte jedoch die kommerziellen Erwartungen nicht ganz. Aus diesem Grunde und wegen der zunehmend schwieriger werdenden wirtschaftlichen Situation der Firma Fox und der Lage in Hollywood an der Schwelle zum Tonfilm musste Murnau bei seinen folgenden Filmen zunehmend Eingriffe in sein künstlerisches Konzept hinnehmen; bei dem Film „City Girl“ wurde er sogar als Regisseur abgelöst, und ohne seinen Einfluss wurde nachträglich eine Tonfassung hergestellt.

Von den Zwängen Hollywoods enttäuscht, kündigte Murnau 1929 den Vertrag mit Fox. Nach einem ergebnislosen Versuch, wieder in Berlin mit der UFA ins Geschäft zu kommen, kaufte er sich eine Segelyacht, fest entschlossen, seinen nächsten Film allein nach seinen eigenen Vorstellungen zu realisieren, und fuhr nach Tahiti, um dort mit dem Regisseur und Dokumentarfilmer Robert J. Flaherty den Film „Tabu“ zu drehen. Während der Dreharbeiten gab es erhebliche Schwierigkeiten mit der die Drehkosten finanzierenden Filmmaterial-Firma. Schließlich trennte sich Murnau von Flaherty, der stärkere Dokumentarfilmambitionen hatte, und produzierte den Film auf eigene Kosten. Der auf der Insel Bora Bora ausschließlich mit einheimischen Laiendarstellern gedrehte Film wurde zu einer stilbildenden Mischung aus Dokumentation und Melodram. Der Vertrieb des von Murnau selbst finanzierten Films, für den er sein gesamtes Vermögen aufgewendet und sich hoch verschuldet hatte, wurde von der Firma Paramount übernommen, die von dem Film so beeindruckt war, dass sie Murnau einen Zehnjahresvertrag anbot.
Die Premiere des Films am 18. März 1931 erlebte Murnau aufgrund eines Autounfalls jedoch nicht mehr.

Filme von Friedrich Wilhelm Murnau
Auswahl, die von Wilfried Kaets in der Vergangenheit mit Musik live als Konzert aufgeführt wurden:

• 1921: Schloß Vogelöd
• 1922: Der brennende Acker
• 1922: Nosferatu, eine Symphonie des Grauens
• 1922: Phantom
• 1924: Die Finanzen des Großherzogs
• 1924: Der letzte Mann
• 1926: Tartüff
• 1926: Faust – eine deutsche Volkssage
• 1927: Sonnenaufgang – Lied von zwei Menschen (Sunrise – A Song of Two Humans)
• 1930: City Girl
• 1931: Tabu

 

Referenzen zum Film

Überblick
Darsteller
Neue Musik für Gesang und Orgel von Wilfried Kaets