Kurz und knapp
durch Bildverismus, Darstellung und Vermittlung sozialer Realität
eines der herausragenden Werke der deutschen Stummfilm-Avantgarde. Die
präzisen und authentischen Beobachtungen aus dem Milieu der
Angestelltenkultur, beispielhaft für die gesellschaftliche Entwicklung
der späten 20er Jahre, haben den Charakter eines historischen
Dokuments; der Inszenierungsstil des Films, der seine Episoden aus dem
Flair der Originalschauplätze und der spontanen Selbstdarstellung
seiner Laienschauspieler entwickelt, beeinflußte den poetischen
Realismus im Frankreich der 30er Jahre und wirkte stilbildend für den
italienischen Neorealismus. Die Mitglieder des Autorenkollektivs
emigrierten später in die USA.
Menschen am Sonntag wurde von seinerzeit jungen Filmemachern gedreht
im Jahr 1929 und 1930 in Berlin und Umgebung. Der Film wurde im
Februar 1930 in Berlin uraufgeführt. Er zählt zu den wichtigsten
Vertretern der Neuen Sachlichkeit im Film.
Inhalt
Der Film beginnt an einem Samstag am Berliner Bahnhof Zoo. Gezeigt wird das hektische Treiben von Menschen, Autos, S-Bahn, Bus und Straßenbahn. Es folgt die Vorstellung der Hauptcharaktere – Erwin, der Taxifahrer, Christl, eine Komparsin, Brigitte,
eine Schallplattenverkäuferin, Annie, ein Mannequin und ein Weinverkäufer namens Wolfgang.
Der Weinverkäufer spricht die Komparsin am Bahnhof Zoo an und geht mit ihr in ein Straßencafé und sie verabreden sich für Sonntagvormittag erneut auszugehen. Es folgen Aufnahmen von Schiffen auf der Spree und
Kindern am Ufer. Szenenwechsel. Der Erwin betritt seine Wohnung, wo die Mannequin Annie müde im Bett liegt. Er setzt sich an den für zwei Personen gedeckten Tisch, trinkt, isst, raucht und liest Zeitung. Annie wartet schon auf ihn, so hatte sie ihn zuvor in der Werkstatt wegen einer Kinoverabredung angerufen. Danach werfen sich die beiden
in Abendrobe und scheinen nun ins Kino ausgehen zu wollen. Doch da dem Taxifahrer nicht gefällt, wie Annie die Hutkrempe trägt, kommt es zum Streit und in diesem Moment kommt Wolfgang, Erwins bester Freund, vorbei. Daraufhin beschließen die beiden Männer eine Partie Poker zu bevorzugen und lassen Annie schmollend in der Ecke sitzen.
Sonntag. Man sieht Bilder aus Berlin. Zwei Obdachlose liegend auf Parkbänken, Straßenszenen, ein verwahrlostes Haus, einen Friedhof. Dann trifft sich Christl wie vereinbart mit Wolfgang am Nikolassee. Sie hat ihre Freundin Brigitte mitgenommen, und er seinen Freund Erwin. Annie hat er zuvor ausschlafen lassen und ihr einen Zettel für den Verabredungsort hinterlassen.
Der teils von Schilf und hohen Gräsern geprägte Sandstrand und See ist derweil nur gering besucht. Es folgen Bilder vom deutlich besser besuchten Wannsee. Ebenfalls Sandstrand, viele badende Kleinkinder, und ein Fotograf. Es folgt die Darstellung dutzender Fotos von Strandbesuchern, die in immer schnellerer Schnittfolge gezeigt werden.
Auch Übergänge von Postkartenmotiven zu echten Personen prägen die Schnittfolge. Zurück am Nikolassee vergnügt sich Wolfgang zunächst mit Christl im Wasser. Als sie seinen allzu dreisten Kussversuch
jedoch abwehrt, widmet er sich lieber Brigitte am Ufer. Eine weitere Szene nach dem gemeinsamen Picknick verdeutlicht, dass Christl auf der Suche nach Zuneigung jedoch an den Falschen geraten ist. So liegen beide Mädchen in Wolfgangs Arm, doch während Christl mit Händchenhalten glücklich ist, beschäftigt er sich lieber mit den Brüsten Brigittes. Während der ganzen Szenerie wartet Erwin immer noch auf das Eintreffen Annies.
Danach laufen alle durch den angrenzenden Wald, um zu einem Bootsverleih zu gelangen. Dort kommt es zu einer Liebesszene zwischen Wolfgang und Brigitte nach einem Fangenspiel aller Beteiligten. Durch Kameraführung und mise-en-scene wird angedeutet, dass sie Sex haben. Christl fühlt sich daraufhin verraten und gedemütigt. Zum Abschluss des Tagesausflugs unternehmen dann alle vier gemeinsam noch eine Tretbootfahrt, die von gegenseitiger Eifersucht geprägt ist, bevor sie mit einem Stockbuszurück in die Stadt fahren. Die Fahrt wird von der
Kamera begleitet. Man sieht sowohl den fahrenden Bus mit den Darstellern darin, als auch die Umgebung, an der sie vorbeifahren. Zunächst wird Christl von den anderen Dreien nach Hause begleitet und förmlich verabschiedet. Bei der Verabschiedung Brigittes kommt es zu einer offensichtlichen Lüge Wolfgangs, als er ihr verspricht sich am
nächsten Sonntag abermals mit ihr verabreden zu wollen. Denn darauf folgend erwähnt Erwin die Verabredung zum Fußball in der nächsten Woche, worauf Wolfgang mit einem verständnisvollen Lächeln reagiert. Abschließend kehrt Erwin zu seiner Annie zurück, die den ganzen Sonntag einem Gemälde gleich verschlafen hat.
Es folgt der Zwischentitel: „Und dann am Montag“. Man sieht hektisches Treiben auf den Straßen – Menschen bei der, oder am Weg zur Arbeit. Dazwischen werden in gleichmäßigen Abständen die Zwischentitel „wieder Arbeit“, „wieder Alltag“, „wieder Woche“ eingeblendet. Der Film endet mit dem Satz, dessen Worte nacheinander einzeln eingeblendet werden: „4 Millionen warten auf den nächsten Sonntag“. „Ende“.
Der Film schildert halbdokumentarisch das Leben junger Menschen in der Metropole Berlin Ende der 1920er Jahre. Die jungen Amateure schrieben in ihrer Freizeit das Drehbuch und filmten jeweils an einem Sonntag,
da alle Beteiligten jeweils Zeit hatten. Das Budget stammte aus den Ersparnissen des Regisseurkollektivs. Die fünf Hauptdarsteller standen das erste Mal vor der Kamera. Kurz sind auch Kurt Gerron undValeska Gert (in der Fotografien-Szene) zu sehen. Historisch ist der Film sehenswert aufgrund der authentischen Bilder von Berlin dieser Zeit. Schöne Aufnahmen vom Wannsee. Gleichzeitig ist es die erste Filmarbeit der späteren Oscarpreisträger Billy Wilder und Fred Zinnemann.Edgar G. Ulmer drehte in Hollywood vor allem B-Filme. Die Brüder Siodmak
machten ebenfalls Karriere im deutschen wie im amerikanischen Film. Seine Entstehungsgeschichte macht den Film zu einem der ersten Independent-Filme und zu einem Vorläufer des Neorealismus der Nachkriegszeit.